Plakat für Sylvester Kundgebung
Seit Ende September dieses Jahres läuft in Frankfurt am Main der Prozess gegen Sonja Suder und Christian Gauger, denen die Beteiligung an mehreren Anschlägen der Revolutionären Zellen (RZ) in den 1970er Jahren vorgeworfen wird. Sonja wird aufgrund einer Kronzeugenaussage außerdem beschuldigt, den Überfall auf die OPEC-Konferenz 1975 unterstützt zu haben. Das Vorgehen der staatlichen Repressionsorgane zeigt dabei wieder einmal, dass sich der deutsche Staat bei der nachträglichen Kriminalisierung und Verunglimpfung linker Geschichte von keinerlei rechtsstaatlichen Minimalstandards beschränken lässt.
Während die Gerichte in Frankreich, wo die beiden Angeklagten über 30 Jahre lang untergetaucht waren, die Vorwürfe als verjährt betrachteten und die Auslieferung zunächst ablehnten, setzte die BRD alles daran, der AktivistInnen habhaft zu werden. Über den Europäischen Haftbefehl erzwangen sie im Herbst 2011 die Überstellung der beiden GenossInnen. Sonja sitzt seither im Knast in Preungesheim, Christian musste wegenseines schlechten Gesundheitszustands entlassen werden.
Die Staatsanwaltschaft versucht seither recht erfolglos, eine tragfähige Beweislage zusammenzuschustern, denn die beiden Angeklagten verweigern konsequent jegliche Aussage oder sonstige Kooperation. Dabei ist den Justizbehörden kein Skandal zu gewagt: neben den Aussagen des gerichtlich als unglaubwürdig eingestuften Kronzeugen Hans-Joachim Klein sollen „Angaben“ von Hermann Feiling als Hauptbeweismaterial dienen, die unter folterähnlichen Bedingungen zustande kamen. Der damalige RZ-Aktivist wurde – traumatisiert und unter schwersten Betäubungsmitteln stehend – von den Cops verhört, nachdem eine Bombe auf seinem Schoß explodiert war und er dadurch beide Beine sowie sein Augenlicht verloren hatte. Kurz darauf widerrief er diese „Aussagen“ vollständig, doch sie werden jetzt in dem Verfahren verwendet.
Um den darin geschilderten Sachverhalten mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, wurde seine damalige Verlobte als Zeugin vorgeladen: Sie verweigert jedoch umfassend die Aussage, woraufhin das Gericht ein Ordnungsgeld verhängte und mit Beugehaft droht, um Aussagen von ihr zu erpressen.
Doch die Hoffnung der staatlichen Organe, ihren Repressionsfeldzug gegen die militante Geschichte der hiesigen Linken auf diese Weise mit verwendbarem Beweismaterial ausstatten zu können, wird nicht aufgehen.
Die Justiz steht vor einem Dilemma. Einerseits will sie dem wahnhaften Verfolgungswillen des Staates zur Durchsetzung verhelfen, andererseits muss sie einen minimalen Anschein von Rechtsstaatlichkeit wahren. Die Illusion der Verhältnismäßigkeit ist schon lange wie eine Seifenblase geplatzt; selbst bürgerliche Medien, die jeder Sympathie mit den RZ unverdächtig sind, zeigen sich irritiert über die seit einem Jahr andauernde Inhaftierung Sonjas und die kruden Konstruktionen von Staatsanwaltschaft und Gericht.
Wir werden diese Strategie des Staates, linke Geschichte mit menschenverachtenden Mitteln zu einem reinen Objekt der Justizbehörden zu machen, nicht länger hinnehmen. Wir werden es nicht dulden, dass GenossInnen dem bedingungslosen Verfolgungswahn der Repressionsbehörden preisgegeben sind. Wir setzen unsere Solidarität gegen ihre Repression und werden an Silvester mit einem massenhaften und lautstarken Besuch am Knast in Preungesheim zeigen, dass die Mauern uns nicht trennen können.
Denn betroffen sind einzelne, gemeint sind wir alle.
Solidarität ist mehr als nur ein Wort. Solidarität ist eine Waffe!
„Wenn du vorher ausgemacht hast: „Wenn einmal was passiert, dann kein Wort, keine Aussage“, dann hast du ein sehr sicheres Gefühl.“ (Sonja Suder 2010 im WOZ-Interview)