79-Jährige bleibt wegen hoher Fluchtgefahr in Haft
Die ehemalige Linksterroristin Sonja Suder sitzt seit acht Monaten ein. Ihr Anwalt will den Fall Karlsruhe vorlegen.
Der Fall einer hochbetagten Rentnerin, die seit mehr als acht Monaten in Untersuchungshaft sitzt, könnte bald das Bundesverfassungsgericht beschäftigen. Der Rechtsanwalt der 79-jährigen Sonja Suder, die bis vor 34 Jahren den linksextremistischen Revolutionären Zellen (RZ) angehört haben soll, prüft eine Verfassungsbeschwerde wegen überlanger Verfahrensdauer. Der Grund: Obwohl die Anklage gegen Suder seit Anfang November 2011 vorliegt, hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main das Verfahren gegen die Beschuldigte noch immer nicht eröffnet. Das Gesetz schreibt jedoch eine Frist von sechs Monaten zwischen Anklageerhebung und Eröffnung des Hauptverfahrens vor.
Sonja Suder und ihr 70-jähriger Lebensgefährte Christian Gauger sollen Mitte der 70er Jahre an drei Bombenanschlägen der RZ mitgewirkt haben, bei denen lediglich Sachschaden entstanden war. Suder wird zudem vorgeworfen, an der Vorbereitung des Überfalls auf die Opec-Ministerkonferenz in Wien 1975 beteiligt gewesen sein, bei dem drei Menschen starben. Die Anklagevorwürfe basieren allerdings im Wesentlichen auf der Aussage eines Zeugen, dessen Glaubwürdigkeit bereits in einem anderen Prozess vom Gericht angezweifelt worden war.
Suder und Gauger waren Mitte September vergangenen Jahres aus Frankreich an Deutschland ausgeliefert worden. Sie waren im Sommer 1978 nach Frankreich geflüchtet und hatten dort lange Zeit als Flohmarkthändler gelebt. Erst im Jahre 2000 kam ihnen die französische Polizei auf die Spur. Nach der Auslieferung wurde der schwerkranke Gauger nach einigen Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen. Seine Lebensgefährtin hingegen muss weiter in Haft bleiben
Besonders haftempfindlich
Das Frankfurter Oberlandesgericht (OLG) stellte jetzt bei einer Haftprüfung fest, dass bei Sonja Suder eine besonders hohe Fluchtgefahr bestehe. Wörtlich heißt es in dem Beschluss, dass die 79-Jährige „aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters besonders haftempfindlich ist“. Da sie damit rechnen müsse, nach einer Verurteilung den Großteil ihres restlichen Lebens in Haft zu verbringen, bestehe ein „besonders hoher Fluchtanreiz“. Dieser findet „auch in dem hohen Lebensalter kein notwendiges Korrektiv“. Suders Rechtsanwalt Detlef Hartmann nennt den Beschluss des Gerichts „reichlich zynisch“. „Es ist doch mehr als zweifelhaft, dass meine 79-jährige Mandantin noch einmal die Beschwernis einer Flucht auf sich nehmen würde“, sagte der Kölner Anwalt dieser Zeitung. Zumal die Beweislage in dem Verfahren gegen sie so dünn sei, dass eine Verurteilung mehr als fraglich ist.
Hinzu komme die überlange Verfahrensdauer. Das OLG war ursprünglich selbst von einer Verfahrenseröffnung zum 15. Februar ausgegangen. „Stattdessen hat das Schwurgericht bis heute nicht eröffnet und geht jetzt sogar von einem Verfahrensbeginn nicht vor Ende August aus“, sagt Hartmann. Das Gericht begründet die Zeitverzögerung damit, dass noch ein Gutachten über die mögliche Verhandlungsunfähigkeit des Mitangeklagten Gauger eingeholt werden müsse. „Dabei lagen dem Gericht bereits bei der Auslieferung von Herrn Gauger im September sorgfältig verfasste Gutachten vor, die dessen Verhandlungsunfähigkeit begründen“, sagt Rechtsanwalt Hartmann. Das Gericht hätte die Pflicht gehabt, nach Eingang der Anklageschrift am 1. November umgehend selbst von Amts wegen ein neues Gutachten in Auftrag zu geben. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass erfahrene Richter eines OLG dies nicht wissen sollen“, sagt Hartmann.