Sonja Suder, geboren 1933, aufgewachsen in Leipzig und Berlin, studiert in den 1970er Jahren in Frankfurt Medizin. Sie engagiert sich politisch, geht auf Demonstrationen und hat Kontakt zur Hausbesetzerbewegung und zu politischen Studentengruppen.
Christian Gauger, geboren 1941, lebt in den 1970er Jahren in Frankfurt, wo er ein Psychologie-Studium abschließt und als Sozialarbeiter tätig ist. Er ist politischer Aktivist in den damaligen sozialen Bewegungen und engagiert sich unter anderem in der Roten Hilfe, einer Organisation zu Unterstützung politischer Gefangener.
Im August 1978 bemerken Sonja Suder und Christian Gauger, dass sie wie so viele Linke in der Zeit des „Deutschen Herbstes“ von der Polizei observiert werden und vermuten darin Vorzeichen einer möglichen Verhaftung. Sie fahren bereits am folgenden Tag gemeinsam nach Frankreich.
Erst später erfahren sie von den gegen sie gerichteten Tatvorwürfen: Es handelt sich um Anschläge der Revolutionären Zellen gegen deutsche Konzerne, die das Atomprogramm des rassistischen Unterdrückungsstaates Südafrika unterstützen. Ein Sprengsatz , der im August 1977 ein Loch in die Außenfassade des Firmengebäudes von MAN in Nürnberg reißt und ein Anschlagsversuch auf eine Firma in Frankenthal, die Pumpen für Kernkraftwerke herstellt. Außerdem ein Anschlag auf das Heidelberger Schloss, bei dem 40.000 Euro Sachschaden am Parkettfußboden entstehen – diese Aktion richtet sich gegen die Abrisspolitik der Stadt Heidelberg, die man heute als Gentrifizierung bezeichnen würde. Belastende Aussagen gegen die beiden werden unter folterähnlichen Umständen bei der Befragung des schwerstverletzten angeblichen RZ-Mitglieds Hermann Feiling gewonnen. (Siehe den Eintrag „Folter und Aussageerzwingung“ auf dieser Seite).
Sonja wird durch eine durch Kronzeugenaussagen von Hans Joachim Klein belastet, der behauptet, Suder hätte das Kommando unterstützt, das 1975 das OPEC Hauptquartier überfallen und die dort tagenden Erdölminister als Geiseln nimmt. (Siehe den Eintrag „Kronzeuge“ auf dieser Seite).
Seit 1978 leben Sonja Suder und Christian Gauger unter falscher Identität. Sie halten sich finanziell mit dem Verkauf von Flohmarktwaren über Wasser und leben sehr zurückgezogen. 1997 erleidet Christian Gauger einen Herzstillstand und muss durch Sonja Suder wiederbelebt werden. Er wird in ein Krankenhaus in Lille eingeliefert, liegt mehrere Tage im Koma und verliert sein Gedächtnis. Bis heute ist er auf Medikamente und eine ständige Betreuung angewiesen.
Drei Jahre später, in Paris, werden sie nach 22 Jahren Illegalität im Januar 2000 verhaftet. Nach drei Monaten Untersuchungshaft werden sie aber gegen eine Kaution von 300 (!) Euro entlassen. Dem Auslieferungsgesuch der deutschen Behörden wird nicht nachgekommen, da die vorgeworfenen Taten nach französischem Recht verjährt sind.
Seit der Haftentlassung leben die beiden in einer kleinen Wohnung in St. Denis, einem Vorort von Paris. Sie pflegen Kontakt zu anderen Exilanten, zu ihren Verwandten und Freunden. Die beiden befassen sich, soweit immer es möglich ist, mit Literatur und politischen Diskussionen aus aller Welt. Die ehemalige Medizinstudentin Sonja ist eine Fachfrau auf dem Gebiet der Naturheilkunde geworden. Christian pflegt eine große Sammlung von Messerbänkchen – ebenso dekorative wie überflüssige Relikte bürgerlicher Tischkultur und eine Erinnerung an seine Zeit als Flohmarkthändler.
Im Sommer 2007 werden sie abermals für einige Wochen verhaftet, die deutschen Behörden haben einen neuen Europäischen Haftbefehl beantragt. Im Sommer 2009 wird in letzter Instanz über ihre Auslieferung entschieden, die am 14. September 2011 erfolgt.