Am heutigen Tag war Dr. Ralph Bünger als Zeuge im Frankfurter RZ-Prozess geladen. Er gehört zu den Richtern, die 2001 den Kronzeugen des laufenden Verfahrens, Hans-Joachim Klein, verurteilt haben. Er war damals Berichterstatter der fünfköpfigen Strafkammer. Seit 2009 ist er Richter am BGH.
Der Zeuge Bünger ist für das laufende Verfahren gegen Sonja Suder interessant, weil er über die Aussagen, Widersprüchlichkeit und Glaubwürdigkeit Kleins etwas sagen kann. Richter Bünger hatte sich 2001 mit seinen Kollegen für die Kronzeugenregelung bei Klein ausgesprochen: Weil Klein zwei Personen beschuldigte: Seinen Mitangeklagten Rudolf Sch. und die im laufenden Verfahren angeklagte Sonja Suder. Interessant dabei war und ist, dass Klein zwar seinen Mitangeklagten R. Sch. beschuldigte, die Beschuldigungen aber nicht für eine Verurteilung ausreichten. Sch. musste freigesprochen werden. Bünger steht für die Widersprüchlichkeit, Klein einerseits als glaubwürdigen Kronzeugen einzustufen, andererseits aber Kleins Beschuldigungen gegen Rudolf Sch. als nicht glaubhaft einzuordnen.
Bünger hat zur Vorbereitung auf seine heutige Aussage sein Urteil von 2001 nochmals gelesen. Richtern und Staatsanwaltschaft ging es überwiegend um die beiden Treffen im Frankfurter Stadtwald und die Waffenlieferungen vor dem OPEC-Anschlag Ende 1975 in Wien. Laut Büngers Erinnerung hat Klein im Prozess 2001 gesagt, dass Sonja Suder auf dem ersten Treffen im Stadtwald gewesen sei, auf dem zweiten Treffen dann keine Frau anwesend war. Bünger erinnert sich weiter, dass die Aussagen Kleins über die Waffenlieferungen aus Deutschland nach Wien „verschiedene Stadien durchlaufen“ haben. Wiederholt habe es „Entwicklungen seiner Aussagen“ gegeben. Einmal hatte Klein gesagt, nur von Wilfried Böse gehört zu haben, dass Suder zu den Anlieferern gehörte, ein zweites Mal hatte er gesagt, Suder und Sch. in Wien selbst gesehen zu haben. Bünger hatte die Einschätzung, dass Klein anfangs nicht als Verräter gelten wollte, dann sich aber mehr und mehr dazu entschied, alles zu sagen.
Bünger gab auf Nachfrage kund, dass Klein nichts konkretes z.B. über
Verhalten und Kleidung von Sonja Suder in Frankfurt oder Wien berichtet hat, sondern nur sagte: „Sie war da“. Details über Sonja Suder in Kleins Aussagen habe es nicht gegeben. Klein habe nie Details genannt, meinte Bünger, die später zu Widersprüchen hätten führen können.
Neben der Vorsitzenden Richterin Stock haben dieses Mal auch die beiden Berufsrichter/innen rechts und links von ihr nachgefragt. Zeuge Bünger äußerte bei seiner Antwort seinen Eindruck, Klein habe nicht bewusst falsche Personen beschuldigt – und rechtfertigt damit die Anwendung der Kronzeugenregelung.
Bünger wurde auch zu seiner Vernehmung von „Top-Terrorist Carlos“ (O-Ton Bünger) in Frankreich befragt. Bünger berichtete, dass Carlos nur bereit war zu sprechen, wenn er auch die politischen Hintergründe der palästinensischen Befreiungsbewegung ausführlich schildern durfte, die – laut Carlos – für das Verständnis des OPEC-Anschlags notwendig seien. Entsprechend ausführlich wurde Carlos Aussage. Nach 7-8 Stunden gab es, so Bünger, zum eigentlichen Hergang des OPEC-Anschlags in Wien „nichts neues“.
Die Staatsanwaltschaft befragte Bünger über die Aussage des verstorbenen Frankfurter Kabarettisten Matthias Beltz, ein alter Kumpel von Klein. Klein hatte in der Illegalität u.a. mit Beltz Kontakt. Klein warnte Beltz davor, bestimmte Personen bzw. RZ-Mitglieder für mögliche Unterstützung für Klein anzufragen. Laut der damaligen Aussage von Beltz wollte Klein ausdrücklich, dass Rudolf Sch. nicht informiert wird. Sonja Suder gehörte allerdings nicht zu diesen Personen, so Bünger.
Bünger wurde dann noch von der StA’in zum damaligen Zeugen Gerd Schnepel befragt. Das Verhältnis Schnepel-Klein sei insofern interessant gewesen, so Bünger, weil Klein behauptet hätte, Schnepel nicht zu kennen. Schnepel aber sagte: Natürlich kenne er Klein. Er sei mit ihm nach dem OPEC-Anschlag im Ausbildungscamp in Jemen gewesen und konnte noch einige beweiskräftige Details schildern. Schnepel verstand nicht, warum ihn Klein angeblich nicht mehr kenne.
Auf Nachfrage der Verteidigung antwortete Bünger, dass Klein zu keinem Zeitpunkt über RZ-Aktionen in Frankfurt, über RZ-Treffen, den Rhythmus und die Orte der Treffen berichtet habe und berichten konnte. Es sei nach seinen Erinnerungen nie gefallen, dass Suder und Gauger auf dem Ausbildungscamp gewesen seien. Auch Schnepel hätte in seinen Aussagen Suder und Gauger nie erwähnt. Auch der Zeuge Tarek Mousli habe in seiner Aussage Suder und Gauger nicht erwähnt.
Die Rechtsanwälte von Sonja Suder befragten Bünger noch über die
Aussagen Kleins, denen das Gericht 2001 nicht gefolgt ist bzw. denen das Gericht unterstellt hat, dass sie „geschönt“ seien. Bünger bestätigte diese Passagen aus dem schriftlichen Urteil.
Abschließend fragte die Vorsitzende Richterin noch, ob es im Prozess
gegen Klein auch zu Einschüchterungen durch das Publikum gekommen sei. Unmutsäusserungen und Kommentare habe es gegeben, meint Bünger. Die Richterin hakt nach, ob Worte wie „Denunziantenschwein“ gefallen seien. „Ganz sicher nicht“, meint Bünger. Er wurde danach als Zeuge entlassen.
Es war inzwischen 12.30 Uhr, nach einer kurzen Pause wurde das
Zeugenprogramm für die kommenden Prozesstage vorgestellt: Am 24.5. kommt Dr. Gehrke. Am 28.5. kommen zwei Polizeizeugen, einer um 9 Uhr und Herr Schneider um 13 Uhr. Am 4.6. kommt Gutachter Dr. Haag, dann wird der Prozess nur bis 13 Uhr gehen.
Der angeblich neue Termin 31. Mai war ein Missverständnis. Dieser Tag sei nicht terminiert und finde auch nicht statt, so die Richterin. Was am vergangenen Prozesstag für den 31. Mai angekündigt war, finde am 4. Juni statt. Das ist mal eine schöne Nachricht aus dem Mund der Richterin, weil sich dann alle potenziellen Prozessbesucher_innen an den in Frankfurt angekündigten Blockupy-Protesten beteiligen können :-).