Frankfurter Rundschau online 07. November 2012
Terror-Prozess stockt
von Stefan Behr
Der Prozess gegen die mutmaßlichen Ex-Terroristen Sonja Suder und Christian Gauger kommt nicht in Gang. Eine Verhandlungspause jagt die nächste, ein Befangenheitsantrag folgt auf den anderen. Schwer zu sagen, wann der Prozess gegen Sonja Suder und Christian Gauger, die beiden ehemaligen mutmaßlichen Mitglieder der Revolutionären Zellen, zur Farce geworden ist. Es gibt Stimmen, die sagen, er sei es von Anfang an gewesen. Jetzt ist er es jedenfalls mit Sicherheit.
„Wir werden keine Ruhe geben, bis wir ohne Knäste leben“, verkünden die Sympathisanten – und machen im Gerichtssaal Rabatz. Foto: Sascha Rheker
Der gestrige Verhandlungstag war wieder einmal symptomatisch für den von Beginn an unter einem Unstern stehenden Prozess. Eine Verhandlungspause jagt die nächste, die wenigen Prozessminuten dienen dazu, dass die Verteidigung Anträge stellt, über die dann in der nächsten Verhandlungspause beraten wird. Anfangs durchschauten zumindest Volljuristen das Prozedere, doch langsam verlieren selbst die den Überblick. Einer der Verteidiger forderte gestern von der Vorsitzenden Richterin Bärbel Stock eine schriftliche Zusammenfassung von dem, „was eigentlich bislang passiert ist“. Die Antwort ist einfach: nichts von Bedeutung.
So wurden gestern erneut Befangenheitsanträge gegen Richterin Stock, die allmählich einen etwas ermüdeten Eindruck vermittelt, debattiert. Der Grund: Am Verhandlungstag zuvor hatten die verbliebenen Sympathisanten im Zuschauerraum ein Transparent mit der Aufschrift „Landgericht FFM – Folterkomplizen“ entrollt – leider falschrum, aber mit Halsverrenkung durchaus zu lesen. Die Störer wurden des Saales verwiesen, ein paar Störer-Sympathisanten schlossen sich an, und Stock bemerkte: „Je mehr gehen, desto besser.“ In einem Prozess, in dem selbst ein Schluckauf der Richterin einen Befangenheitsantrag nach sich ziehen dürfte, ein fataler Fehler.
Pausen fest vorgeschrieben
Immerhin passiert irgendwas. Die Verhandlungstage zuvor waren wegen einer Erkrankung Christian Gaugers ausgefallen. Ohnehin ist Gauger in einem gesundheitlichen Zustand, der es dem Gericht nur erlaubt, den Vormittag über zu verhandeln – und selbst das nur mit fest vorgeschriebenen Pausen.
Warum der Prozess gegen Gauger nicht abgetrennt wird, ist eine oft gestellte, aber nie wirklich beantwortete Frage. Gauger werden Taten vorgeworfen – so die Beteiligung an einem Brandanschlag auf das Heidelberger Schloss, bei dem kein Mensch zu Schaden kam –, die normalerweise längst verjährt wären, hätte es nicht die unzähligen Verjährungsunterbrechungen bei dem über Jahrzehnte flüchtigen Paar gegeben.
Sonja Suder muss sich hingegen wegen dreifachen Mordes verantworten – obwohl sie nachweislich zur Tatzeit nicht am Tatort, der Konferenz der Opec-Minister 1975 in Wien, war. Ihr wird allerdings die Vorbereitung des Anschlags vorgeworfen.
Und dann wäre da noch Hermann Feiling, dessen Person wie ein Schatten über dem Prozess liegt. Auf seiner Aussage fußt die Anklage gegen Suder zu großen Teilen. Diese Aussage machte Feiling 1978, einen Tag nachdem ihm eine seiner eigenen Bomben außerplanmäßig im Schoß explodierte und er beide Beine und beide Augen verlor. Im Vorfeld des Prozesses wurde es offensichtlich versäumt, sich ein Bild über die aktuelle Vernehmungsfähigkeit Feilings zu machen. Ebenso versäumt wurde, eine Antwort auf die Frage zu finden, ob solch ein Verhör, das die Rahmen der Rechtsstaatlichkeit zumindest arg strapaziert, überhaupt als Fundament einer Anklage taugen kann. Dass die Anwälte Suders und Gaugers versuchen, den Prozess zu Tode zu reiten, kann man ihnen kaum verdenken. Sie machen ihren Job, und es wäre sträflich, wenn sie die Steilvorlagen, die die Justiz ihnen hier bietet, nicht nutzen würden.
Vor der Tür des Gerichtssaals hängt ein Zettel, auf dem die kommenden Prozesstage bis Februar 2013 stehen. Es wäre erfreulich, wenn der Prozess bis dahin zumindest mal begonnen hätte