Pressemitteilung Rote Hilfe e.V. und Solidaritätskomitee Frankfurt am Main
Im Strafprozess gegen Sonja Suder und Christian Gauger beabsichtigt das Landgericht Frankfurt jetzt die Verwertung von Aussagen, die unter folterähnlichen Zuständen gewonnen wurden. Schon zu Beginn des letzten Verhandlungstages war die Zeugin S. vorgeladen worden, die 1982 aufgrund der Aussagen des schwer traumatisierten Hermann Feiling verurteilt worden war. Die Zeugin weigerte sich, Aussagen zu machen, weil sie nach wie vor davon überzeugt ist, dass die Aussagen Hermann Feilings nicht verwertet werden dürfen. Sie strebt deshalb in ihrem eigenen alten Verfahren eine Wiederaufnahme an. Das Gericht verhängte gegen sie ein Ordnungsgeld und drohte ihr Beugehaft an, sollte sie am 19.10.2012 weiterhin nicht aussagewillig sein.
Das Gericht bereitet jetzt die Verwertung von Feilings Aussagen vor, da es bisher nicht dem Antrag der Verteidigung gefolgt ist, einen Sachverständigen für Traumaforschung zu bestellen. Nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen war Feiling damals massiv traumatisiert und damit in seiner Willens- und somit Aussagefreiheit beschränkt gewesen.
Stattdessen soll die Aussagefähigkeit belegt werden, indem die 30 Jahre alten subjektiven Eindrücke gerade derjenigen seitenweise verlesen werden, welche seinen Zustand monatelang aufrecht erhalten haben. So wurden die Eindrücke des ehemaligen Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof Kuhn aus dem Jahre 1978 verlesen. Darin beschreibt er die Verhörsituation des schwer traumatisierten Hermann Feiling als „überraschend angenehm“.
Feiling sei ihm gegenüber „sehr zugewandt“ gewesen, habe „unrichtige Aussagen korrigiert“; ihn habe „die gute Verfassung überrascht“.
Als zynisch empfanden viele Zuhörer_innen diese Beschreibung. Als einige von ihnen unter Protest den Saal verließen, ordnete die Vorsitzende Richterin Stock eine Personalienfeststellung an. Auch an den folgenden Prozesstagen will das Gericht Einschätzungen von Personen verlesen, die für die folterähnlichen Vernehmungen verantwortlich waren.
Die Rote Hilfe und das Solikomitee fordern daher eine breite und kritische Öffentlichkeit zum Prozess, damit das Gefühl des „Deutschen Herbstes“ nicht zur Realität wird.
Der Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. / Das Solidaritätskomitee Frankfurt am Main
Weitere Hintergrundinformationen unter: www.verdammtlangquer.org
Göttingen, den 15.10.2012