Ein französischer Polizist, der den Kronzeugen H.J. Klein nach seiner
Verhaftung 1998 in der Normandie vernommen hat, sorgte heute wieder für gute Laune auf der Anklagebank und im Zuschauerraum, aber für lange Gesichter auf Seiten der Justiz.
Der Zeuge, dessen Vernehmung die Verteidigung wegen der Unglaubwürdigkeit von H.J.Klein durchgesetzt hatte, entlastete Sonja S. im OPEC-Komplex vollständig.
Der Polizist berichtete zunächst ausführlich über seine Ermittlungen gegen Carlos und Wadi Hadad, bevor er zur Sache kam. Nachdem Wilfried Böse und Johannes Weinrich 1974 in Frankreich verhaftete worden sind, seien die Revolutionären Zellen Kopf- und Führerlos gewesen. Klein habe bei der Vernehmung in Frankreich behauptet, sich an die OPEC-Aktion im einzelnen nicht erinnern zu können, außer dass es Carlos gewesen sei, der den libyschen Polizisten erschossen habe.
Klein habe nach dem Tod von Böse und Kuhlmann bei der Stürmung der ELAL-Maschine durch ein israelisches Kommando in Entebbe die RZ verlassen. Daniel Cohn-Bendit habe ihm geholfen 1977 in Frankreich unterzutauchen.
H.J.Klein habe bei seiner Vernehmung 1998 unter Eid nicht Sonja, sondern andere Personen als die Angeklagte beschuldigt, ihn für die geplante Geiselnahme der Ölminister 1975 in Wien angeworben zu haben, sagte der Polizist. Außerdem widersprach er der Aussage des Kronzeugen, wonach er Sonja S. auf einer Lichtbildmappe
als die Frau identifiziert habe, die für das Kommando Waffen transportiert haben soll.
Der Polizist, der sich an die tagelangen Vernehmungen von H.J. Klein noch lebhaft erinnerte, bestätigte damit die Niederschrift des Verhörs, die von Kleins Aussagen in der Hauptverhandlung entscheidend abweicht und ließ sich von den Fragen der sichtlich düpierten Vorsitzenden genauso wenig irritieren, wie von den Vorhalten des Staatsanwaltes.
Es blieb Rechtsanwalt Bremer bei seiner Befragung des Zeugen vorbehalten, den Polizisten auf den Grund für seine heutige Ladung hinzuweisen, nämlich auf den Widerspruch zwischen Kleins Aussagen vor Gericht und bei der französischen Polizei.
Das ist nicht das erste Mal, dass Klein, der selbst an dem Überfall auf die OPEC-Konferenz beteiligt war und deshalb wegen Mordes verurteilt wurde, nicht die Wahrheit sagte. Bereits 2001 musste das Frankfurter Landgericht Rudolf S. deshalb vom Vorwurf freisprechen, an dem Überfall beteiligt gewesen zu sein. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass H.J.Klein Sonja S. denunziert hat, um selbst in den Genuss des Kronzeugenrabatts zu kommen.
Nachdem die Mordanklage im OPEC-Komplex erledigt ist, muss Sonja,
die bereits fast zwei Jahre in Untersuchungshaft sitzt, sofort
freigelassen werden!! Denn das, was von der Anklage übrig bleibt, sind
die umstrittenen Polizeiprotokolle, die 1978 dem schwer verletzten
Hermann F. nach der Explosion einer Bombe abgepresst wurden. Demnach
soll Sonja an zwei Anschlägen auf die Atomindustrie und das
Heidelberger Schloss beteiligt gewesen sein, zu denen sich Revolutionäre Zellen bekannten.
Die RZ verübten 1977 die Anschläge auf die AKW-Zulieferer, bei denen niemand verletzt wurde, aus Protest gegen die Atompolitik der Bundesregierung und die Zusammenarbeit mit dem Apartheidregime in Südafrika, das inzwischen zum Glück genauso Geschichte ist, wie die Atomeuphorie nach Tschernobyl und Fukushima.
Die Kammervorsitzende erklärte nach der Entlassung des Polizisten, bis
zum nächsten Prozesstag am 10. September zu entscheiden, ob weitere
Zeugen geladen würden, u.a. Rudolf Sch. und Sabine E.